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Studienreise 2012 nach Budapest

In der Woche nach Ostern reisten 35 Schülerinnen und Schüler der Kantonsschulen Aarau, Baden und Wohlen zusammen mit drei Lehrern mit dem Zug nach Budapest. Es folgten vier Tage Begegnungen, Führungen und ein Veloausflug auf den Spuren von Kommunismus und Religion.

Untergebracht war die Reisegruppe in einem ehemaligen Dominikaner-Konvent. Die Fahrt auf der Donau stimmte ein auf den Besuch. Die  Begegnung im Haus der Reformierten brachte überraschende Einblicke in die momentane Stimmung im Lande. Ein Pfarrer, der in Basel als Calvinist mit einem Schweizer Stipendium studieren durfte, brachte sehr offen seine Einschätzung der heutigen Brennpunkte dar. In Ungarn gibt es 1.5 Mio Calvinisten. In der Zeit des Kommunismus hätte die obere Schicht mitspielen müssen, auf dem Lande seien aber viele Pfarrer nahe beim Volk gewesen. Die brutale Niederschlagung des Aufstandes 1956 führte aber zu einem Bruch des Selbstwertes. Dies hätten nun Europäische Firmen nach der Wende 1989 ausgenützt, indem sie statt Unterstützung viel Ausbeutung brachten. Als Beispiel nannte er die Firma Holcim, die heute überteuerten Zement aus dem Ausland hole, oder Betriebe der Stahlindustrie, die von westlichen Firmen zu einem Billigpreis aufgekauft und geschlossen wurden, nur mit dem Ziel, die Konkurrenz aus dem Weg zu schaffen. Daraus resultierten grosse Arbeitsplatzverluste, die schliesslich auch zu einer Verarmung der Roma führte. Diese verkauften nun ihre Kinder in die Prostitution, welche schliesslich auch in der Schweiz in Zürich am Sihlquai aufträten. Ob das Stehlen zur Tradition der Zigeuner gehört und die Integration erschwere, darüber war man sich im Saal nicht einig. Jedenfalls seien die Aussichten der Jugend sehr schlecht und treibe viele in die Emigration z.B. nach London. Doch zum Schluss meinte er hoffnungsvoll: «wenn ich nicht an eine Lösung glauben würde, würde ich auswandern.» Feine Strudel versüssten zum Abschluss die herausfordernden Bemerkungen.

Studienreise nach Budapest

Eine Velotour führte in die düsteren Aussenquartiere. Die Kommunisten bauten ihre Plattenbauten respektlos dicht an die Ausgrabungsstätten der Römer, deren Bauten als bürgerliches Zeug verschrien waren. Ebenso respektlos gingen sie mit den zahlreichen jüdischen Synagogen um. Zwar ist die weltweit Zweitgrößte inzwischen wieder in voller Pracht da. Leider war sie aber für Nichtjuden wegen Pessach aus Angst vor  Verunreinigung in diesen Tagen geschlossen. Bis vor drei Jahren war ein Besuch trotzdem möglich, aber mit peinlich genauen Lebensmittel-Kontrollen am Eingang, was inzwischen als zu mühsam betrachtet wird.

Studienreise nach Budapest

Als Ersatz bot der Führer, dessen Vater nach Russland deportiert und dort umgekommen, und der selber mit vier Jahren zur Zeit der Naziokkupation bei Schweden untergebracht war, ein Rundgang durchs angrenzende Museum. Zufällig wurde auch an diesem Tag ein Denkmal für den Schweizer Juden-Retter Carl Lutz enthüllt, der Schutzbriefe erfunden hatte, um den Juden eine Ausreise zu ermöglichen. Immerhin war der Besuch einer andern im Wiederaufbau befindlichen leerstehenden Synagoge möglich. Das Raumerlebnis beeindruckte viele und führte zur Bemerkung, dass man auch bei uns viele Kulträume entrümpeln müsste. Mit einem koscheren Mittagessen wurde schliesslich der Ruhmestat von Carl Lutz gedacht.

Studienreise nach Budapest

Die Begegnung beim Jesuitenorden mit dem Jesuiten László korrigierte etwas die Roma feindliche Stimmung. Er hatte zwei Monate in einem Roma-Gebiet gearbeitet.  Altes Kasten-Denken erschwere die Integration, aber sie seien doch meist friedvoll. Es gäbe heute Anpassungsschwierigkeiten und es sei eine demografische Herausforderung, wenn in der Schule 90% Romakinder seien. Auch ihre Gebäude hätten die Jesuiten erst 2003 fast zerstört zurückbekommen, und so seien sie immer noch am Renovieren. So besserte auch eine Frau während des Gesprächs ein Wandbild aus. Ihr Wohnheim beherberge 70 Studierende. Die Germanistik Studentin Ada, die Dolmetscherin werden möchte, berichtete zum Schluss, wie schwierig es sei, einen gute Ausbildung zu bekommen und dann noch schwieriger eine Arbeit. So wolle sie Touristenführerin werden. Ein Augenschein in einem Romaquartier zeigte schliesslich die schwierigen Verhältnisse anschaulich und der anschliessende Besuch im angrenzenden Friedhof gab interessante Einblicke in die Bestattungskultur in den verschiedenen Zeiten.

Ein Konzert- und ein Opernbesuch und eine von einer Schülerin durch die neuen Social Media hergestellte Begegnung im Abendausgang sowie Besuche in den Bädern brachten willkommenen Ausgleich. Die Tage waren intensiv und so wurden auf der Rückreise im Nachtzug viele recht früh vom Schlaf übermannt.

Martin Zürcher




Aufgeschaltet am 21. Mai 2012
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Die Hälfte der Reisegruppe vor der Kathedrale
Die Hälfte der Reisegruppe vor der Kathedrale
Foto: maz